ISSN 0843 9829X 10. Jahrgang November 2001 Für Deutschlehrerinnen
und Deutschlehrer in Kanada
Publikationen
- Informationen - Arbeitshilfen -
Herausgeber:
Redaktion dieser Nummer:
Redaktionelle Vertreter:
Beiträge und Kommentare
auf
Deutsch, Englisch oder Französisch senden Sie bitte an folgende Adressen:
goethe.montreal.ls@netaxis.qc.ca, ebornowsky@hotmail.com.
Format: Dateien im
Format Word oder WordPerfect UNFORMATIERT. Abbildungen, Zeichnungen oder
Fotografien können nur von der Originalvorlage abgedruckt werden.
Etwaige Copyright-Erlaubnis muss vom Autor eingeholt werden.
FORUM DEUTSCH ist die Zeitschrift der CATG und wird ermöglicht mit finanzieller Unterstützung durch das Goethe-Institut Inter Nationes. |
Lernwelt Klassenzimmer – Neue Dimensionen fremdsprachlichen Unterrichts für die Bürger und Bürgerinnen Europas? Michael K. Legutke, Gießen 1. Aufbruch und Annäherung Europaweit lässt sich eine Aufbruchstimmung in fremdsprachlichen Klassenzimmern feststellen, die sich nicht zuletzt darin zeigt, dass viele Lehrende damit begonnen haben, ihre tägliche Praxis neu zu orientieren. Sie reagieren auf vier Veränderungen: 1. Als Folge der weltweiten Migration gehören multikulturelle Gesellschaften zur Realität in immer mehr Ländern Europas. Deshalb sind nicht nur viele Klassenzimmer in deutschen Großstädten, sondern selbst in mittleren und kleinen Städten mehrsprachig und multikulturell. |
Auf die praktischen Antworten aus verschiedenen europäischen Klassenzimmern kann im Folgenden nur allgemein eingegangen werden. Indem ich sie zu Thesen verdichte, können sie eine erste Orientierung bei der Suche nach angemessenen Curricula für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bieten und in einen Dialog über die Gestaltung von Lernumwelten aufgenommen werden. Die „neuen“ Dimensionen, die dabei skizziert werden, konstituieren keinen radikalen Neuanfang, sondern stellen vielmehr eine Weiterentwicklung der uns vertrauten Praxis in der Lernumwelt des Klassenzimmers dar. Auch wenn die Gestalt des Lernraums von der Fachdidaktik bisher kaum explizit thematisiert wurde, so macht doch jede Fremdsprachenvermittlungsmethode indirekte Aussagen über den Handlungsraum der Beteiligten, stellt Forderungen auf und formuliert Ansprüche. Das Zusammenspiel von Lehrenden und Lernenden gleicht einer „Kultur“ (Breen 1985), die ständig erarbeitet, verändert und aufrecht erhalten wird. Sie ist bestimmt durch einen physisch fassbaren Ort, dessen besondere Gestalt auf größere gesellschaftliche Zusammenhänge verweist: auf Wertvorstellungen, Bauvorschriften, finanzpolitische Prioritätsentscheidungen und cum grano salis auch auf Lehr- und Lernkonzepte. So materialisiert sich beispielsweise im klassischen Arrangement eines universitären Hörsaals ein auf Vorstellungen von Wissenstransfer gegründetes Lehr- und Lernmodell, das im schulischen Frontalunterricht eine strukturelle Entsprechung findet. Trotz seiner Abhängigkeit von nur schwer veränderbaren Vorgaben zeichnet sich der Handlungsraum Klassenzimmer als Ort gesellschaftlicher Praxis gerade dadurch aus, dass er von seinen Bewohnern nicht nur genutzt sondern auch hergestellt wird (vgl. Candlin 2001, Lantolf 2000, Legutke 1997, van Lier 2000). 2. Räume 2.1. Das Klassenzimmer als Raum für Kommunikation Seit der kommunikativen Wende der frühen 80er Jahre erscheint das Klassenzimmer gegenüber früheren Konzepten in einem neuen Licht. Wenn es Ziel ist, die Lernenden zur Kommunikation in der Fremdsprache zu befähigen, dann muss im Unterricht selbst Kommunikation geübt, erfahren, und analysiert werden. Die kommunikative Didaktik wertet deshalb die Erfahrung der Lernenden, ihren Umgang mit der Fremdsprache im Hier und Jetzt des Klassenzimmers auf und kritisiert einen Unterricht, der nur auf ein Später durch Lernen auf Vorrat zielt. Zwei Richtungen hat die kommunikative Wende genommen. Die eine weist nach draußen
und beinhaltet Versuche, das Klassenzimmer mit der Welt zu verknüpfen,
wo die Sprache lebendig ist, damit die Lernenden ihr Sprachkönnen
in Situationen des Ernstfalls erproben können: Erkundungen
von Zielsprachengebrauch in der erreichbaren Umgebung werden organisiert,
wie der Besuch von internationalen Schulen, Hotels, Flughäfen, Orten,
an denen sich Touristen versammeln. So benutzt beispielsweise eine norditalienische
Berufsschule die nahe gelegene, von vielen Deutschen genutzte Jugendherberge
als integralen Bezugspunkt für den Deutschunterricht: Die Jugendherberge
wird Teil des Klassenzimmers (Goethe-Institut 1997). Die Wendung nach draußen
holt sich Unterstützung von der Reformpädagogik, insbesondere
der Freinet-Bewegung, die dem experimentierenden Sich-Vorantasten der Lerner
in authentischen Kommunikationssituationen eine zentrale Funktion im Fremdsprachenerwerb
zuweist. Eine Schlüsselposition nimmt die Korrespondenz (individuelle
oder Klassenkorrespondenz) mit Sprechern der Zielsprache ein. Diese reicht
vom klassischen Brief über Kassettenbrief und Videobrief bis hin zu
der heute populären Form der E-Mail-Kommunikation. Eine Vielzahl von
Berichten, selbst aus den Grundschulen, belegt, dass die Öffnungen
nach draußen durch direkte und vermittelte Kommunikation zu beeindruckenden
Ergebnissen führt (siehe: Drese 2000, Edelhoff & Liebau 1988,
Legutke & Thomas 1999, Müller-Hartmann 1999, 2001). Obwohl solche
Ernstfälle das Klassenzimmer zweifelsohne lebendiger machen, kann
über sie allein kein Fremdsprachenunterricht betrieben werden.
|
Die kommunikative Didaktik richtete deshalb ihre zweite Stoßrichtung nach innen und suchte nach Möglichkeiten von simulierten Ernstfällen im Klassenzimmer selbst. Dabei rückten zunächst Themen und Texte ins Zentrum des Interesses. Allerdings zeigte sich schnell, dass sich weder interessante Themen von selbst entfalten, noch fremdsprachige Texte (und wenn sie noch so authentisch sind) die Schüler von alleine zum Sprechen und Schreiben führen. Themen und Texte brauchen Aufgaben, die Entdeckungsreisen im Sinne von Freinets experimentierendem Sich-Vorantasten ermöglichen. Die Beschäftigung mit kommunikativen Aufgaben hat die Möglichkeiten des Klassenzimmers gegenüber der Zeit der Drill- und Einschleifübungen radikal verändert. Das Spektrum reicht vom Entwurf eines einfachen Rollenspiels bis hin zur szenischen Gestaltung von Lehrbuchtexten und der Entwicklung eines Filmtreatments auf der Basis eines Jugendromans. Die kommunikativen Aufgaben schließen aber auch das ganz Banale und Folgenreiche ein, das den Alltag des Klassenzimmers regelt, nämlich die Organisation und Strukturierung der Lernsituation und ihrer Ressourcen: Die Fenster müssen geöffnet werden, die Schüler sollen neue Bücher abholen oder ein Gruppenkonflikt erfordert Lösungen (vgl. Legutke & Thomas 1999). Eng verknüpft mit dem Konstrukt der Aufgabe ist das nächste Raumkonzept. 2.2. Das Klassenzimmer als Bühne und Spielraum Der simulierte Ernstfall kann als Mini-Situation, aber auch als komplexes Ereignis über einen längeren Zeitraum gestaltet werden, indem sich etwa eine Klasse im Regelunterricht auf eine Theateraufführung in der Zielsprache vorbereitet (Heitz 1985), oder wie im folgenden Beispiel verdeutlicht, Texte und Aufgaben zu einem Szenario verknüpft: Im 3. Lernjahr Deutsch inszeniert
eine norwegische Klasse eine fiktive Verbrecherjagd. Jugendliche sind entführt
worden. Die Verbrecherjagd geht durch ganz Norddeutschland und endet auf
der Insel Rügen. Beteiligt sind fünf Gruppen (die Entführten,
die Teenager, die Eltern, die Polizisten und die Journalisten). Die Schüler
benutzen Landkarten, Reiseführer, Hotelführer, sie recherchieren
geographische Verhältnisse und benutzen Detailkarten der Insel Rügen.
Ein Beobachter dieser Inszenierung dürfte nur wenige frontal geleitete
Phasen entdecken, vielfach dominiert die Arbeit in kleinen Gruppen, es
herrscht Gewusel und Gemurmel, die den Beobachter nur auf den ersten Blick
verwundern dürften, denn die Lernenden sind sehr ernst bei der Sache.
Es wird arbeitsgleich und arbeitsteilig geschrieben, es werden Lösungen
verhandelt, Gegenstände hergestellt. Der Beobachter entdeckt, dass
einzelne Schüler an einem Wandfries arbeiten und dort Wortschatzfelder
zusammenstellen, im World Wide Web nach Informationen zur Insel Rügen
suchen, den Lehrer um Hilfe bitten, eine Szene einüben. Kleingruppen
nehmen auf dem Flur ein Interview mit Vertretern der Polizei auf, andere
üben auf dem Schulhof eine Radiosendung ein, die in der nächsten
Stunde auf Sendung geht. Es wird viel mit der deutschen Sprache umgegangen,
ja in Gruppen deutsch gesprochen, weil die darauf folgende Inszenierung
im Klassenzimmer dies als sinnvoll nahe legt. Je mehr sich der Beobachter
auf die Situation einlässt, desto klarer wird, dass hier keinesfalls
Chaos herrscht: Die Verknüpfung zu einem sinnvollen Ganzen erfolgt
im komplexen Zusammenspiel von Steuerungsimpulsen durch die Aufgabenstellung,
ihrer Inszenierungen durch die Lehrkraft und der Beiträge der Lernenden.
Das Klassenzimmer wird zur Bühne, auf der nicht nur aufgeführt,
sondern mit großem Ernst und Eifer geprobt und geübt wird. Die
Inszenierung trägt deutliche Züge der Simulation Globale
(Yaiche 1996; vgl. auch Fehse & Kocher 2000).
|
Sowohl die Inszenierung simulierter Ernstfälle als Mini-Situationen oder als größere Handlungssequenzen sowie die Einbeziehung von kommunikativen Ernstfällen durch Korrespondenz und Begegnung zeichnen sich durch mindestens zwei strukturelle Merkmale aus: Die sinnvolle Verknüpfung von Aufgaben und Texten zu Szenarien und die systematische Integration von Fertigkeitsübungen. Das Klassenzimmer als Raum für Kommunikation und als Bühne ist deshalb um die Metapher des Trainingsplatzes zu erweitern (2.6.). 2.3. Das Klassenzimmer als Ort der Begegnung Das fremdsprachliche Klassenzimmer ist der prädestinierte Ort für interkulturelles Lernen (Bredella & Delanoy 2000). Wenn wir es als mit der Welt durch Fenster verbunden begreifen, dann bieten sich heute viele Möglichkeiten für solche Begegnungen: Partner können Zielsprachensprecher in der Umgebung sein; muttersprachliche Besucher im Klassenzimmer; Austauschschüler, die von Partnerschulen anwesend sind; die Gastfamilie bei der Klassenfahrt ins Ausland; der Partner im Zusammenhang eines Austauschprojekts. Die Austauschforschung zeigt allerdings, dass Begegnung allein keinesfalls interkulturelles Lernen garantiert, sondern oft zur Verfestigung von Vorurteilen führt, weshalb die Begegnung der Einbettung in einen größeren Lernzusammenhang bedarf. Damit die Beschäftigung mit der eigenen und fremden Sichtweise überhaupt gelingen kann und zu neuen, von Perspektivenwechsel bestimmten Einsichten führt, müssen besondere Aspekte der Begegnung fokussiert, Meinungen und Sichtweisen dargestellt und verhandelt werden, wie viele dokumentierte Projekte zeigen. Diese Erkenntnis akzentuiert erneut die zentrale Rolle der Aufgaben, die Kommunikation steuern und strukturieren und fokussiert die Texte, die Schüler im Klassenzimmer schreiben. Denn mit ihren Texten – mündlichen und schriftlichen – teilen sie sich den anderen mit und machen ihre eigenen Perspektiven verhandelbar (Alix 1990, Byram 1997, Grau 2001, Kröger 2000, Müller-Hartmann 2000). 2.4. Das Klassenzimmer als Atelier Der Fremdsprachenunterricht hat sich vielerorts praktisch von der traditionellen Vorstellung verabschiedet, dass nur die Lehrkraft für die sprachlichen Eingaben verantwortlich ist, und realisiert damit, was in vielen Publikationen der letzten Jahre gefordert wird: Schüler lesen nicht nur Gedichte und Geschichten, sie schreiben sie auch; sie lesen nicht nur Dramen, sondern entwerfen Szenen und verfilmen sie, gestalten Plakate und präsentieren Lernergebnisse mit Hilfe des Computers. Der fremdsprachliche Literaturunterricht kann auf solche Textproduktion genauso wenig verzichten wie Telekooperationsprojekte, in denen Schüler unterschiedlicher Kulturen gemeinsam in virtuellen Lernarrangements Jugendromane oder Jugenddramen bearbeiten (Cook 2000, Legutke, Müller-Hartmann & Ulrich 2000, Müller-Hartmann 2001, Schocker-v. Ditfurth 2001). Was sind dies für Texte? Diese
Texte sind zunächst nicht für die Lehrkraft geschrieben, damit
diese sie auf Sprachrichtigkeit hin untersucht und dabei die Verarbeitung
der Eingabe (Input) bewertet, sondern eben auch und vielfach sogar ausschließlich
kommunikative Äußerungen, die Einsichten weitergeben, Standpunkte
verdeutlichen und folglich verstanden werden wollen, bzw. eine Antwort
erwarten. Im Zusammenspiel von Inhalt und Form versuchen sie, Grenzen und
Möglichkeiten im Zielsprachengebrauch auszuloten. Dabei können
Gestaltungswille und Ausdruckskraft mit Hilfe konventioneller Medien und
Mittel ebenso zur Entfaltung kommen wie mit Hilfe der verschiedenen Werkzeugfunktionen
des Computers. Lernertexte haben immer auch eine diagnostische Qualität
für die Lehrenden, denn sie verdeutlichen Lernfortschritte und Kompetenzdefizite.
Den Lernenden zeigen sie ihre Erfolge und Leistungen an und machen Sprachnot
erfahrbar. Lernertexte sind deshalb notwendigerweise auch Anlass zu kritischer
Reflexion und kontinuierlicher Evaluation. Da die Lernenden als Textproduzenten
an der Gestaltung der Lernumwelt teilhaben und dabei auch strukturierende
Funktionen für den Lernprozess der Mitschüler übernehmen,
somit als Lehrende handeln, fällt ihnen eine nicht unerhebliche Verantwortung
für den Gesamtertrag des Unterrichts zu. Als Raum, in dem man in der
beschriebenen Weise an und mit Texten unter Verwendung der Fremdsprache
arbeitet, lässt sich das Klassenzimmer am anschaulichsten als Atelier
kennzeichnen. Die Metapher geht auf Freinet zurück, dessen Bildungskonzept
ein Ensemble von vernetzten „Arbeitsateliers“ für elementare Arbeit
und für differenzierte, intellektuelle, soziale und künstlerische
Tätigkeiten vorsah (Dietrich 1979, 1995).
|
2.5. Das Klassenzimmer als Lernwerkstatt Eng mit der Vorstellung eines Ateliers ist die Metapher der Lernwerkstatt verknüpft. Wenn sich der Fremdsprachenunterricht nach draußen öffnet, wenn er sich um interkulturelles Lernen und Begegnung bemüht und die Lernenden als Textproduzenten und damit als Mitgestalter der Lernumwelt begreift, dann kann das Lernen nicht im Gleichschritt des Frontalunterrichts voranschreiten. Vielmehr sind unterschiedliche Lern- und Sozialformen gefragt, die sorgfältiger Steuerung bedürfen. Die Gruppen werden regelmäßig innehalten müssen, um zu prüfen, was sie erreicht haben, sie müssen Zwischenbilanz ziehen, sich vergewissern, welche sprachlichen Teilaspekte besonders intensiv nach Übung verlangen. In solchen Phasen wird das Klassenzimmer zur Lernwerkstatt. Hier ist Platz für Grammatikarbeit, Wortschatzübungen und Aussprachetraining, aber auch der Ort, an dem die Lernenden ihr Sprach- und Lernbewusstsein entwickeln. In der Lernwerkstatt spielen aber auch die organisatorischen Fragen eine wichtige Rolle: Wann sollen die Plakate fertig sein? Wer ist für die Tonaufnahmen verantwortlich? Schließlich gehört in die Lernwerkstatt die Ermittlung und Bewertung der Lernergebnisse. So wie die Lernenden die Lernwelt insgesamt mitgestalten, werden sie auch eine zentrale Rolle bei der Bewertung des Erreichten übernehmen. In der Lernwerkstatt werden bereits im Fremdsprachenunterricht der Grundschule die Bedingungen für das lebenslange Lernen geschaffen (vgl. Legutke 2001). Eng mit der Lernwerkstatt verbunden ist die Vorstellung des Klassenzimmers als Trainingsplatz. 2.6. Das Klassenzimmer als Trainingsplatz Im Fremdsprachenunterricht wurde schon immer viel trainiert. Was das Training grundlegend von frühen Trainingseinheiten unterscheidet, ist die Tatsache, dass es soweit wie möglich mit dem Ernstfall, dem simulierten oder realen, verknüpft ist. So trainieren die Lernenden der norditalienischen Schule sinnvolle Fragetechniken, damit sie bei den Interviews erfolgreich sind, und lernen, einen Bericht über die Begegnung mit der deutschen Schülergruppe zu schreiben. Auch das Rollenspiel und das szenische Spiel sind Ernstfälle, wenn sie so inszeniert sind, dass Aufführende und Zuhörer eine ernsthafte kommunikative Beziehung eingehen. Für solch einen Ernstfall gilt es, die Aussprache zu trainieren und Texte auswendig zu lernen. Auch das eigene Gedicht, das der Lernende vorträgt verlangt nach Vortragstraining, weil die Zuhörer nicht nur die Lehrkraft, sondern auch die Mitschüler sind, an die sich die Botschaft richtet. 2.7. Das Klassenzimmer als Klassenzimmer: Ort der Wissensvermittlung Auch wenn wir das Klassenzimmer erweitern
und zu Ateliers umgestalten, auch wenn es für besondere Phasen zur
Bühne oder Lernwerkstatt wird, behält es dennoch auch seine ganz
traditionelle Gestalt; es bleibt ein Ort der Wissensvermittlung. Zwar übernimmt
die Lehrkraft in der gemeinsam gestalteten Lernwelt andere, erweiterte
Aufgaben, die oft mit Begriffen wie Lernberater und Moderator bezeichnet
werden, damit wird jedoch die klassische Rolle des Vermittlers von Wissen
nicht überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall: So schließt
projektorientiertes Arbeiten den Lehrervortrag, der Perspektiven und Zusammenhänge
aufzeigt nicht aus. Ohne gezielte Interventionen in Begegnungen, ohne den
sensiblen und von Kenntnissen bestimmten Hinweis der Lehrkraft auf kulturelle
Wissensbestände und Verhaltensrepertoires kann sich die Begegnung
nicht zum interkulturellen Lernen weiterentwickeln. Auch auf der Mikroebene
fremdsprachlicher Teilaspekte, etwa im Bereich der Semantik oder Pragmatik,
ist das Wissen der Lehrkraft nach wie vor gefragt, das es ihr gestattet,
Phänomene zu fokussieren und Erkenntnisprozesse durch Lehren und Vermitteln
anzustoßen.
|
2.8. Das vernetzte Klassenzimmer Das fremdsprachliche Klassenzimmer hat in Deutschland und anderswo viel zu lange in Isolation existiert, was sich in der Schulwirklichkeit nicht zuletzt dadurch zeigt, dass die Sprachen als unverbundene Fächer nebeneinander stehen. Der Unterricht in der ersten Fremdsprache nimmt in der Regel nicht auf die mitgebrachten Sprachen vieler Kinder Bezug; der Unterricht in der zweiten Fremdsprache knüpft weder an Lernerfahrungen mit der ersten an, noch sind Inhalte und Verfahrensweisen aufeinander abgestimmt. In der dritten Sprache werden in der Regel die Inhalte und Routinen wiederholt, die schon die erste und zweite Fremdsprache bestimmten. Der Fremdsprachenunterricht tut vielfach so, als seien die Lerner unbeschriebene Blätter: Der mitgebrachte Reichtum, aber auch traumatische und schwierige Erfahrungen, bleiben außen vor. Es ist auch richtig, dass nach wie vor viele Schulen in Europa in einem „monolingualen Habitus“ (Gogolin 1994) erstarrt sind und die mitgebrachte Mehrsprachigkeit vieler Kinder ignorieren oder sie gar im Sinne eines monolingualen muttersprachlichen Unterrichts einzuebnen suchen. Und dennoch lassen sich auch auf diesem sicher schwierigsten Feld der Bildungs- und Schulpolitik neue Dimensionen erkennen, die am besten mit der Metapher des vernetzten Klassenraums zu fassen sind. · Ermutigend stimmen all jene Projekte, in denen in allen Schultypen in der Fremdsprache gelernt wird: Geschichte auf Französisch, Sport auf Italienisch, Sozialkunde auf Englisch.In all diesen Fällen hat sich das fremdsprachliche Klassenzimmer nicht nur zu den sprachlichen Fächern geöffnet und ist Teil eines Netzwerks interdependenter Aktivitäten geworden, für die die klassische Vokabel des Fachunterrichts nicht unbedingt mehr treffend ist. Vielmehr zeigen sich die Konsequenzen solcher Tendenzen nicht zuletzt auch in der physischen Umgestaltung der Räume, der Bibliotheken, der Medienzentren und der Klassenzimmer selbst. 3. Curriculare Dimensionen und Perspektiven Wenn wir das Klassenzimmer in seiner räumlichen Gestalt zu fassen suchen, dann lässt sich Folgendes festhalten: Das Klassenzimmer umfasst zunächst als Kernzone den traditionellen Klassenraum mit allen seinen Artefakten: Wänden, Möbeln, Fenstern. Diese Kernzone ist jedoch mit weiteren Räumen vernetzt, mit Räumen in der Schule (Bibliothek, Infothek, Computerraum, Fachraum), aber auch für bestimmte Phasen mit solchen in der Umgebung (z. B. der Partnerklasse in Deutschland) und dem Internet, das weitere Räume erschließt, bzw. erschließbar macht. Wird das Klassenzimmer in dieser räumlich erweiterten Form konzipiert, ist unweigerlich die institutionelle Dimension angesprochen. Denn viel wird davon abhängen, welche Raumkonzepte die Gesamtheit der Lehrkräfte vertritt, welche Vorstellungen über die Entfaltung der fremdsprachlichen Schlüsselqualifikationen die Schule als Ganze verfolgt, welche Ressourcen sie zur Verfügung stellen wird.
|
Lernen findet in der Schule immer auch in Gruppen statt, weshalb die Interaktionen der Beteiligten und ihre interpersonalen Beziehungen einen wesentlichen Aspekt der Welt des Klassenzimmers ausmachen: Nicht zuletzt entscheidet die Qualität der Beziehungen der Einzelnen in den Gruppen, der Gruppen untereinander und zu der Lehrkraft über die Bereitschaft, sich in der Fremdsprache zu äußern, die immer ungenügenden Möglichkeiten zum Sinnschaffen zu mobilisieren und sich von Sprachnot nicht verunsichern zu lassen. Schon deshalb, weil das Lernklima als soziales Produkt wesentliche Bedingungen für das Engagement in der Fremdsprache liefert, verbietet es sich, Spracherwerb und Sprachleistungen allein als individuelle, nur mentale Vorgänge zu betrachten (vgl. van Lier 2000). Aus den hier vorgestellten Dimensionen für eine Neukonzeption der Lernwelt Klassenzimmer lassen sich zentrale Fragen für die Entwicklung von Curricula ableiten, die in der zukünftigen Diskussion, auch und gerade um den Fremdsprachenunterricht an den Universitäten zu berücksichtigen sind: 1. Welche ‚Ernstfälle’ für kommunikativen Sprachgebrauch stellt eine Lernumgebung zur Verfügung, und wie werden diese Ernstfälle auf eine Lernbiographie von 3 bis 4 Jahren verteilt? |
Vielerorts wird an den Lösungen dieser Fragen bereits gearbeitet. Wir sollten uns aufmachen, diese Ansätze aufzuspüren und sie als Bereicherung der eigenen Praxis zu begreifen, anstatt - was leider in unserer Disziplin häufig der Fall ist - die große Wende zu proklamieren und die schlechten Verhältnisse zu bejammern. Der Fremdsprachenunterricht ist vielerorts schon längst umgekehrt, wir haben es vielfach nur noch nicht bemerkt. An vielen Orten entsteht so eine neue Kultur des Klassenzimmers, die nicht als trivialer Hintergrund oder neutraler Container für die eigentliche Aufgabe des Lehrens und Lernens zu begreifen ist, sondern wesentlich den Sprachlernprozess mitbestimmt. Sprache wird in solchen Lernwelten nicht als ‚Input’ begriffen, der an die Lernenden gerichtet ist, damit sie irgendwann den erwarteten ‚Output’ liefern, sondern als Zeichen, die Bedeutung und Relevanz dadurch gewinnen, dass sie den Lernenden die Möglichkeit bieten, Sinn zu schaffen, sich anderen mitzuteilen und sie zu verstehen. Damit sie diese Möglichkeiten erkennen und für sich nutzen, brauchen sie stimulierende Inhalte und Handlungsangebote, die eine lebendige Mitarbeit an der Lernwelt ermöglichen. In dieser Kultur, für deren Verdeutlichung ich acht Metaphern angeboten habe, können genau jene Kompetenzen wachsen, welche nicht nur die Bürger und Bürgerinnen Europas benötigen, um die Zukunft zu meistern. 4. Lesehinweise Aliix, C. (1990). ‚Pakt mit der Fremdheit’. Interkulturelles Lernen als dialogisches Lernen im Kontext internationaler Schulkooperation. Frankfurt: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. Bredella, L. & Delanoy, W. (Hrsg.) (2000). Interkultureller Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Narr. Bredella, L. & Legutke, M. (Hrsg.) (1985). Schüleraktivierende Methoden im Fremdsprachenunterricht Englisch. Bochum: Kamp. Breen, M. (1985). The Social Context for Language Learning: A Neglected Situation? Studies in Second Language Acquisition 7, 135-158. Byram, M. (Hrsg.) (1997). Face to Face: Learning ‘Language and Culture’ through Visits and Exchanges. London: CILT. Candlin, C. (2001). Afterword: Taking the Curriculum to Task. In: Bygate, M.; Skehan, P. & Swain, M. (Hrsg.). Researching Pedagogic Tasks. Second Language Learning, Teaching and Testing. Harlow, Essex: Longman, 229-243. Cook, G. (2000). Language Play, Language Learning. Oxford: Oxford University Press. Doyé, R. (1997). Bilinguale Grundschulen. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 8, 161-195. Drese, K. (2000). Klassenkorrespondenz im Frühenglischunterricht . . . geht das? Und wie! Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 14-17. Dietrich, I. (1979). Freinet-Pädagigik im Fremdsprachenunterricht. Englisch-Amerikanische Studien 1, 542-563. Dietrich, I. (1995). Handbuch
der Freinet-Pädagogik: eine praxisbezogene Einführung. Weinheim:
Beltz.
|
Edelhoff, Ch. & Liebau, E. (Hrsg.) (1988). Über die Grenze. Praktisches Lernen im fremdsprachlichen Unterricht. Weinheim: Beltz. Fehse, K.-D. & Kocher, D. (2000). Das fremdsprachliche Klassenzimmer als Erzählraum und Bühne. Ein Beispiel zum Storyline-Konzept. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 18-23. Goethe-Institut (1997). Deutschland ist nah! Jugendherberge Lucca: Ein Interviewprojekt. Video PAL 26 min. München: Goethe-Institut (=429720 Video VP, VS, VN). Gogolin, I. (1994). Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster: Waxmann. Grau, M. (2001) Arbeitsfeld Begegnung. Eine Studie zur grenzüberschreitenden Lehrertätigkeit in europäischen Schulprojekten. Tübingen: Narr. Grau, M., Höller, J. & Klein, D. (2000). Grenzüberschreitendes Lernen in der Begegnung. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 29-33. Heitz, S. (1985). Zigger-Zagger. Die Behandlung und Aufführung eines Dramas im Englischunterricht in einer Gymnasialklasse. In: Bredella & Legutke (1985), 185-200. Kröger, K. (2000). Hilfe, die Amerikaner kommen! Eine USA-week im Rahmen des deutsch-amerikanischen Schüleraustauschs. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 24-28. Lantolf, J. P. (2000) (Hrsg.). Sociocultural Theory and Second Language Learning: Recent Advances. Oxford: Oxford University Press. Legutke, M. (1997). Redesigning the Foreign Language Classroom. Perspectives. A Journal of TESOL-Italy 23/1, 27-43. Legutke, M. (2001) Portfolio für Sprachen – in der Grundschule? Grundschulunterricht 48, Sonderheft Fremdsprachen, S. 20-23, 65. Legutke, M. & Müller-Hartmann, A. (2000). Lernwelt Klassenzimmer – and beyond. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 34, H. 45, 4-10. Legutke, M. & Thomas, H. (41999). Process and Experience in the Language Classroom. Harlow, Essex: Longman. Legutke, M.; Müller-Hartmann, A. & Ulrich, S. (2000) Neue Kommunikationsformen im fremdsprachlichen Unterricht. In: Fritz, G. & Jucker, A. (Hrsg.): Kommunikationsformen im Wandel der Zeit. Vom mittelalterlichen Heldenepos zum elektronischen Hypertext. Tübingen: Niemeyer, 51-73. Müller-Hartmann, A. (1999). Die Integration der Neuen Medien in den schulischen Fremdsprachenunterricht: Interkulturelles Lernen und die Folgen in E-mail Projekten. Fremdsprachen Lehren und Lernen 28, 58-79. Müller-Hartmann, A. (2000). The Role of Tasks in Promoting Intercultural Learning in Electronic Learning Networks. Language Learning & Technology 4,2, 129-147. http://llt.msu.edu Müller-Hartmann, A. (2001). Literatur im virtuellen Lerndreieck – ein interkulturelles Begegnungsprojekt. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, 35-40. Müller-Hartmann, A. & Legutke, M. (2001). Lernwelt Klassenzimmer – Internet. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, S. 4-11. Schocker-v. Ditfurth, M. (2001). Reviving Native American Culture in a German EFL Classroom. Ein handlungsorientiertes Internet-Rechercheprojekt. Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 35, H. 49, 23-29. van Lier, L. (2000). From Input to Affordance: Socio-Interactive Learning From an Ecological Perspective. In: Lantolf, J. P. (Hrsg.), 245-259. Yaiche, F. (1996). Simulation
Globale. Paris: Hachette.
|
Die Präsentation Karl-Heinz Suess, Edmonton Dieser Beitrag enthält eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Er befasst sich damit, dass einigermaßen systematisch zusammengefasst werden soll, wie Redner sich vor einem Publikum verhalten, und somit auch, wie Lehrer sich vor einer Klasse geben, wenn sie sich beispielsweise in einer Phase der Information befinden, also neue Inhalte präsentieren bzw. bereits Dargebotenes wiederholen oder resümieren. Der eigentliche Anlass, diesen Artikel zu verfassen, ist leicht zu erklären. Ich erlebe es immer wieder, und leider viel zu häufig, dass hochbezahlte Präsentatoren auf Konferenzen schlichtweg unfähig sind, ihre Informationen einem interessierten Publikum ansprechend darzubieten. Dies mag zum Teil aus Unkenntnis heraus geschehen. Ich befürchte hingegen, dass mancher Redner einfach den Bezug verloren hat dazu, wie man auf interessante Art und Weise - und dazu noch pädagogisch aufbereitet - das, was man sagen möchte, vermittelt. Das geht uns als Lehrern, die wir
täglich in einer Unterrichtssituation stehen, oft ähnlich, und
ich möchte mich selbst dabei durchaus einschließen! Denn oftmals
schon habe ich mich selbst gefragt, ob der dargebotene Inhalt nicht hätte
wesentlich interessanter präsentiert werden können. Und zähneknirschend
muss ich dann zugeben, dass ich besser hätte vorbereitet sein können,
um nicht nur ansprechender, sondern vor allem effektiver in meinen Aussagen
zu sein. Denn das ist ja schließlich das Ziel: Was wir zu sagen haben,
soll beim Schüler / Zuhörer / Seminarteilnehmer auch so ankommen,
damit es auf eine positive Resonanz stößt.
Grundsätzlich unterscheiden wir drei Arten von Anlässen, die zu einer Präsentation führen: · Meinungsbildung- auch wenn hier die dritte Variante wohl im Vordergrund der Betrachtung stehen wird. |
Ebenfalls müssen wir uns über die vier Phasen im Klaren sein, die zu einer gelungenen Präsentation gehören: 1. die Planung und KonzeptionZu 1.: Ich möchte mich nicht sehr ausführlich mit der Planungsphase beschäftigen, denn sie ist für den täglichen Unterricht eigentlich schon vorherbestimmt. Sie lässt sich leicht von den Unterrichtszielen her bestimmen, die im Lehrplan für die Schulart und das Unterrichtsfach vorgegeben sind. Etwas schwieriger wird es schon, wenn ich eine andere Zielgruppe als meine Schüler im Visier habe. Hier komme ich nicht umhin, mir folgende Fragen zu stellen: Wer ist meine Zielgruppe?Solange ich Antworten auf diese Fragen nicht habe, kann ich sinnvollerweise nicht mit meiner tatsächlichen Vorbereitung beginnen! Zu 2.: Jetzt wird es ernst! Ich muss mir klar werden darüber, wie mein inhaltlicher Teil aussehen soll. Dabei darf ich auf keinen Fall vergessen, dass nach der Stoffsammlung die Selektion und Komprimierung der Stoffauswahl erfolgen muss! Weshalb? Ich schreibe keinen Beitrag für ein wissenschaftliches Magazin, sondern gebe eine mündliche Darstellung über mein gewähltes Thema, und ich möchte meine Zuhörer nicht überfordern. (Die schlimmsten Redner sind für mich übrigens diejenigen, die von einem Manuskript ablesen, das für einen Beitrag in einer Zeitschrift verfasst wurde. Ich halte es für eine Unverschämtheit den Zuhörern gegenüber, deren Kommunikationssituation grob zu missachten und sie mit Inhalten zu malträtieren, die sie in aller Regel gar nicht aufnehmen können!) Wichtig ist hier vor allem die Art der Visualisierung, die ich während meiner Präsentation anstrebe, also die Vorauswahl meines Medieneinsatzes. Verschiedene Hilfsmittel stehen mir zur Verfügung: - die Art meines Vortrags |
Zu 3.: Habe ich meine Vorbereitung ernst genommen, dann kann ich mich nun auf die eigentliche Durchführung meiner Präsentation konzentrieren. Doch auch hier muss ich verschiedene Dinge vorab klären, damit es keine unangenehmen Überraschungen gibt. Denn so manche Präsentation ist schon gescheitert, weil die Organisation vor Ort mangelhaft war! Ich muss mich persönlich davon überzeugen, dass - die Räumlichkeit in Ordnung ist, also sauber und ausreichend bestuhltWenn ich nun kontrolliert habe, dass meine persönlichen Unterlagen, die ich zur Präsentation benötige, in der richtigen Reihenfolge vor mir liegen, dann kann eigentlich nichts mehr passieren - sollte man meinen! Für mich unverzichtbar ist eine Uhr, die vor mir auf dem Tisch oder Podium liegt, damit ich stets informiert bin, wie viel Zeit ich schon verbraucht und wie viel ich noch zur Verfügung habe. Danach richtet sich nämlich auch der mitunter notwendige Entschluss, die Präsentation etwas zu raffen, damit man das Zeitlimit einhalten kann, das einem gesetzt wurde! Zu 4.: Wenn ich ganz ehrlich bin, dann bin ich bei diesem Teil am nachlässigsten. Denn es ist wohl so, dass man den Aspekt der Nachbereitung für überflüssig hält, wenn man das Empfinden hat, die Präsentation sei geglückt. Es empfiehlt sich dennoch, die Präsentation für sich selbst abschließend nochmals Revue passieren zu lassen, Teil für Teil, um herauszufinden, wo noch Verbesserungen möglich oder aber Erläuterungen notwendig sind. Ein Indiz dafür sind Fragen, die während oder nach der Präsentation von den Zuhörern gestellt wurden. Auf alle Fälle sollte man selbst ein ehrliches Resümee ziehen, ob man mit der eigenen Darbietung zufrieden war oder nicht. Weitere Hinweise und Tipps Der eigentliche Vortrag Wenn man unsicher ist, hilft ein Spickzettel. Die Verwendung eines solchen Zettels ist kein Zeichen von Schwäche, sondern signalisiert dem Zuhörer, dass der Redner ein ausgearbeitetes Konzept hat und davon nichts vergessen möchte. Es ist selbstverständlich, dass weitestgehend frei gesprochen wird! Die Sprache muss verständlich sein, sowohl was die Wortwahl als auch den Satzbau anbelangt. Auf gar keinen Fall dürfen die Sätze zu lang geraten, denn sonst riskiere ich, dass meine Zuhörer mich nicht verstehen und konsequenterweise abschalten! Ebenso muss meine Sprechweise angemessen sein in Lautstärke und Betonung. Ich kann, mit ein wenig Training, meine Stimme sogar zum Instrument machen, indem ich moduliere und Lautstärke, Sprechtempo und Stimmlage variiere. Auf diese Art und Weise kann ich Wichtiges hervorheben bzw. die Aufmerksamkeit des Publikums auf entscheidende Zusammenhänge lenken. Ein guter Redner legt öfters mal eine kleine Sprechpause ein, anstatt dass er ein rhetorisches Sperrfeuer an den Tag legt, das alle Beteiligten nur allzu rasch erschöpft. Unverzichtbar ist der Einsatz von Mimik und Gestik, denn diese sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit stets dort ist, wo ich sie haben möchte: Entweder bei mir als Person, oder beim jeweiligen Medium, das ich gerade benutze. Bei kleineren Gruppen unerlässlich
ist der Blickkontakt, der mit allen Beteiligten aufzunehmen ist. Der Redner
vermittelt hier das Gefühl, sein Publikum ernst zu nehmen, eine Tatsache,
die wir alle aus dem Klassenzimmer ja längst kennen!
|
Der Tafelanschrieb Zuallererst muss meine Handschrift leserlich sein, und zwar auch vom hintersten Ende des Raumes aus. Ein Tipp, wie man sich hierauf vorbereiten kann: Vor der Veranstaltung, wenn das Zimmer noch leer ist, schreibt man einen Satz an die Tafel, geht dann nach hinten und versucht, das Geschriebene zu entziffern. Diese Vorübung wirkt manchmal Wunder! In den allermeisten Fällen weiß ich schon vorher, was ich an die Tafel schreiben werde. Dieses Wissen hilft mir bei der räumlichen Aufteilung der Tafel beim Anschreiben. Wie oft kommt es vor, dass man einen Raum betritt, in dem ein Kollege etwas unterrichtet oder präsentiert hat und die Tafel nicht gesäubert wurde. Nur allzu häufig ist dieses Tafelbild recht jämmerlich. Wie soll ein interessierter Zuhörer am Ende einer Präsentation oder Schulstunde nochmals rasch rekapitulieren, welches die wesentlichen Elemente der Darbietung waren? Ein Blick auf die Tafel müsste ihm hier Aufschluss geben können. Oft genug befindet sich hier aber lediglich Gekritzel und unsystematisch Aufgeschriebenes kunterbunt zusammengewürfelt. In einem solchen Fall lieber gar keinen Tafelanschrieb anstreben, oder wenn er dennoch spontan erfolgt, oben links beginnen und unten rechts aufhören! Und noch eine Selbstverständlichkeit: Während ich etwas an die Tafel schreibe oder zeichne, kann ich unmöglich gleichzeitig zu meinen Zuhörern sprechen - ich wende ihnen ja den Rücken zu. Daher: Erst schreiben/zeichnen, dann sprechen/erklären! Die Folie Es ist manchmal schon unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit einige Redner ihre Folien präsentieren. Ich möchte hier nur die häufigsten Fehler benennen, damit man aus dem Umkehrschluss folgern kann, wie eine Folie hergestellt bzw. präsentiert werden soll: - die Schrift ist viel zu klein (d.h. kleiner als 16 Punkte); ab der dritten Reihe kannInsgesamt gesehen gilt auch hier, was für den Tafelanschrieb bereits gesagt wurde: Vor der Präsentation sollte man sich von der entferntesten Stelle des Raumes seine eigene Folie betrachten, um deren Lesbarkeit und Wirkung zu überprüfen! Der Film / das Video Hier ist der wohl wichtigste Aspekt
die geringe Dauer der Anwendung dieses Mediums, denn es soll ja wohl keine
Unterhaltung geboten werden, sondern ein "pädagogischer" Einsatz.
Dieser muss jedoch inhaltlich vorbereitet werden, etwa durch eine Ankündigung
zu Beginn der Präsentation. Ich muss mir also zu jeder Zeit im Klaren
sein, was ich mit der Vorführung bezwecke. Und: Kann ich gewährleisten,
dass alle Anwesenden ohne Mühe die Leinwand oder den Bildschirm sehen
und sich selbst "ein Bild machen" können? Wenn das nicht uneingeschränkt
bejaht werden kann, eignet sich diese Form des Medieneinsatzes nicht!
|
Der Computer plus LCD-Projektor Ob ich nun eine Powerpoint Präsentation anstrebe oder ob ich mit Hilfe des Computers eine Übersicht oder Graphik zeigen möchte - der wichtigste Aspekt ist: Ich muss die Technik beherrschen! Wenn ich mir unsicher bin, vor allem auch beim Einsatz von fremden Geräten, sollte ich besser auf eine derartige Anwendung verzichten, es sei denn, ich habe einen ausgebufften Techniker zur Verfügung, der die Gerätschaften zu bedienen in der Lage ist. Wenn meine Planung stark auf die Anwendung des Computers ausgerichtet ist und mich die Technik im Stich lässt, gibt es nur eine Alternative: Ich brauche einen Plan B, mit dessen Hilfe ich das eingetretene Chaos überwinden kann. Ein solcher Plan kann darin bestehen, dass ich meine eigene Technik (vorsichtshalber) mitgebracht habe, oder aber dass ich eine konventionellere Darstellung als Alternative für meine geplante Präsentation einsetze, z.B. vorbereitete Folien. Erstellung und Einsatz eines Fragebogens bzw. Arbeitsblattes Vor allem anderen müssen meine Fragen bzw. Arbeitsanweisungen klar und eindeutig formuliert sein. Wenn in dieser Hinsicht noch Fragen der Teilnehmer kommen, dann habe ich etwas falsch gemacht. Auch die graphische Anordnung muss so aussehen, dass es keinerlei Missverständnis auf Seiten des Lesers gibt. Bevor ich noch einige Textzeilen oder Abbildungen auf eine Seite quetsche, eventuell sogar noch einige handschriftliche Zusätze, muss ich mir eine andere Anordnung überlegen. Dem Teilnehmer muss auch verdeutlicht werden, wozu diese Unternehmung gut ist: Was möchte ich als Präsentator damit erreichen? Für wen ist das Blatt wichtig - für mich, für den Teilnehmer, oder für beide Parteien? Erfolgt eine Auswertung, und wie lasse ich diese den Teilnehmern zukommen? Wenn ich diese Fragen nicht klar und deutlich beantworten kann, sollte ich lieber auf den Einsatz eines solchen Hilfsmittels verzichten. Abschließende Bemerkungen Alle diese Beobachtungen entstammen der Praxis - ob als Lehrer im Klassenzimmer, oder als Präsentator und Fortbildner bei regionalen und überregionalen Veranstaltungen. Manche der hier geschilderten Erfahrungen habe ich selbst gemacht, andere sind mir positiv bzw. negativ bei anderen aufgefallen. Es sollte klar geworden sein, dass ich keine Rezepte anbiete, nach deren Anwendung der eigene Unterricht oder die Präsentation schlagartig besser wird. Ich denke aber, dass nach der Umsetzung einiger der hier aufgezeichneten Vorschläge wenigstens zwei Ziele erreicht werden können: Mein Publikum langweilt sich nicht (oder aber zumindest weniger als vorher!), und ich selbst habe das Gefühl, dass mein Vortrag / meine Präsentation in einer Form stattgefunden hat, damit ich mir nichts vorzuwerfen habe. Das ist, für den Anfang, gar
nicht so schlecht!
|
Knowledge About Language (KAL) of first-year university students Ulf Schuetze,
Vancouver
|